Überlegungen zum Kaprunbrand – 25 Jahre danach: Verantwortung, die bleibt

Vor 25 Jahren, am 11. November 2000, veränderte ein einzelner Moment alles. Im Tunnel der Gletscherbahn Kaprun kam es zu einem der schwersten Brandunglücke Europas. 155 Menschen verloren ihr Leben – durch ein Ereignis, das nie hätte passieren dürfen. Eine kleine, unbeachtete Heizung löste eine Kettenreaktion aus, die Technik, Menschen und Organisation gleichermaßen überforderte.
Doch das, was damals geschah, war kein Schicksal – es war das Ergebnis vieler kleiner Entscheidungen, die sich über Jahre summierten. Eine Heizung, die nicht für diese Umgebung gebaut war. Ein Lüftungssystem, das Rauch statt Luft verteilte. Fehlende Notausgänge, Kommunikationslücken, keine ausreichende Notfallorganisation.
Alles für sich betrachtet klein. Zusammen: verheerend.
Heute, 25 Jahre später, sollten wir nicht nur trauern, sondern auch reflektieren. Das Unglück von Kaprun ist ein Spiegel für die Verantwortung, die jeder trägt, der Systeme baut, Projekte leitet oder Menschen führt. Es erinnert uns daran, dass Sicherheit nie eine reine Vorschrift ist – sie ist ein Ausdruck von Fürsorge, Professionalität und Respekt vor dem Leben.
Lehren für Unternehmen
Was in Kaprun im Tunnel geschah, passiert im übertragenen Sinn auch in Unternehmen: nicht plötzlich, sondern schleichend. Risiken entstehen selten aus einem großen Fehler, sondern aus einer Kette kleiner Nachlässigkeiten.
Unklare Zuständigkeiten. Fehlende Kommunikation. Entscheidungen, die vertagt werden. Systeme, die niemand mehr hinterfragt.
Unternehmen, die Stabilität und Vertrauen aufbauen wollen, brauchen mehr als Technik und Kontrolle – sie brauchen eine Sicherheitskultur, die Verantwortung sichtbar macht.
Sicherheit bedeutet, früh zu handeln, statt spät zu reagieren. Es bedeutet, Risiken zu erkennen, bevor sie Schaden anrichten. Und es bedeutet, Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie unbequem sind.
Von der Pflicht zur Haltung
Der Brand von Kaprun war auch eine Mahnung an uns alle, Vorschriften nicht als Bürde zu sehen, sondern als Werkzeug, um Leben zu schützen.
Im betrieblichen Alltag geschieht oft das Gegenteil: Sicherheit wird zur Pflicht, zum Kontrollpunkt, zum Aufwand.
Doch echte Sicherheit entsteht erst, wenn sie zur Haltung wird – wenn Führungskräfte sie leben, wenn Mitarbeiter sie verstehen, wenn Technik sie unterstützt.
In unserer Arbeit als technische Consulenten und Experten für Betriebsanlagengenehmigungen, Brandschutz, Umweltschutz und Arbeitssicherheit sehen wir täglich, dass Verantwortung nicht mit Angst, sondern mit Klarheit beginnt.
Gemeinsam statt gegeneinander
Wie auch in unserem Buch „Gemeinsam statt Gegeneinander“ beschrieben, entstehen die größten Fortschritte dort, wo Menschen miteinander denken statt gegeneinander agieren.
Das gilt für Behörden und Betreiber genauso wie für Planer, Unternehmer und Mitarbeitende.
Der Brand von Kaprun zeigt, was passiert, wenn Kommunikation versagt – und er erinnert uns daran, was möglich ist, wenn sie gelingt.
Denn Kooperation rettet Leben, Konfrontation kostet Zeit. Sicherheit wächst nur im Dialog – über Grenzen, Disziplinen und Hierarchien hinweg.
Ein stilles Vermächtnis
Kaprun bleibt ein Mahnmal. Aber es ist auch ein Auftrag.
Ein Auftrag, hinzusehen, wo andere wegsehen.
Ein Auftrag, Entscheidungen zu treffen, bevor es jemand anderer tun muss.
Ein Auftrag, Verantwortung zu leben – im technischen, im menschlichen und im ethischen Sinn.
Sicherheit ist kein Selbstzweck. Sie ist die Basis für Vertrauen – in Unternehmen, in Projekte, in Menschen.
Und sie beginnt immer bei uns selbst.
In stillem Gedenken an die Opfer des Kapruner Brandunglücks.
Und mit Dank an all jene, die täglich Verantwortung übernehmen – sichtbar und unsichtbar.




